Mohenjo Daro, Reise in eine fast vergessene Stadt
Mohenjo Daro gehört zu den ältesten Städten der Menscheit. Die Blütezeit liegt etwa zwischen 3000 und 2000 v.u.Z. Die Ruinen dieser Stadt findet man heute in Pakistan, nahe der Stadt Lakarna. Die Stadt verfügte über eine Anlage, die geometrisch aufgeteilt wirkt. Es gibt Abwasserkanäle, eine Kanalisation und eine Wasserversorgung über Brunnen, vielleicht auch über den nahe gelegenen Fluss Indus. Zentral im oberen Teil der Stadt befindet sich das „große Bad“, ein größeres rechteckiges Becken, das, wie auch mehrere kleinere Bäder zum Reinigen und vielleicht auch für Geselligkeiten genutzt wurde.
Irgendwie hatte ich mir vorgestellt, dass hier jede Menge Besucher auftauchen, um die Überreste dieser Stadt am Indus zu sehen. Umso mehr war ich erstaunt, dass dort kaum jemand zu sehen war. Auch in Lakarna habe ich innerhalb von vier Tagen keinen einzigen Menschen gesehen, der mir wie ein Ausländer erschien. Um es vorweg zu nehmen, für mich hat sich der Besuch gelohnt, es ist allerdings empfehlenswert, sich vorweg etwas kundig zu machen über das Schicksal der Stadt. Auf youtube gibt es zahlreiche Videos dazu.
Die meisten Einwohner, die etwas englisch sprechen, wissen, dass die Ausländer wegen Mohenjo Daro kommen. Sie selbst haben den in 30 Km Entfernung liegenden Ort in der Regel nicht gesehen und wissen kaum etwas darüber. Eine regelmäßige Busverbindung von Lakarna gibt es nicht. Auch die Züge des Mohenjo-Daro Express fahren mehrere Kilometer an der Stadt vorbei.
Ich bestelle mir ein privates Auto (richtige Taxis gibt es hier kaum) an der Hotel-Rezeption und lasse mich für etwa 25 Euro nach Mohenjo Daro und zurück fahren. Aus irgendeinem Grund schickt das Hotel einen Polizisten mit. Der Fahrer stoppt an der nächsten Tankstelle und lässt sich von mir die ersten drei Tausend Rupies (etwa 10 Euro) sofort auszahlen. Sehr häufig haben hier Taxis und Rikschas wenig Benzin und wenn eine sichere Einnahme naht, tanken sie erstmal. Ein anderer Fahrer in Hyderabad hatte mir einige Tage zuvor sein Leid geklagt, dass das Benzin immer teuerer werde und die Fahrten sich immer weniger lohnen.
Am Eingang zur Ausgrabungsstätte steht an der Scheibe der Kasse der Preis, den ausländische Touristen zahlen sollen. 3000 Rupies, etwa 10 Euro, ist für mich okay. In Indien ist das auch Standard, dass man die Touristen mehr zahlen lässt. Bei den geringen Besucherzahlen lässt sich davon der Ort von den Eintrittsgeldern sowieso kaum erhalten.
Beim Eintritt in die Stadt sieht man ein Ruinenfeld, über das sich ein buddhistischer Stupa erhebt. Der ist mindestens 2000 Jahre jünger. Die Stadt macht einen geometrisch geplanten Eindruck, sie sieht aus, wie am Reißbrett entstanden.
Die Stadt verfügt über einen oberen Stadtteil und einen gleichermaßen rechtwinklig angelegten unteren Teil, in dem fast jedes Haus die gleiche Ausstattung hatte. Dies spricht für eine sehr egalitäre Struktur der Bewohner. Der obere Teil schien der Verwaltung und religiösen Zwecken zu dienen. Beide Teile hatten eine Kanalisation und eine Wasserversorgung.
Der Untergang von Mohenjo-Daro ist ein Mysterium. Ist die dortige Stadt mit etwa 40 000 Bewohnern in sich kollabiert? Hat man sich zerstritten und den Konsensus, der eine Stadt aufrecht erhält, gekündigt? Ist die Stadt vom nahe gelegenen Indus überschwemmt worden oder hat der Indus seinen Lauf so verändert, dass die Stadt ausgetrocknet ist? Wir wissen es nicht.
Sicher scheint nur, dass die Stadt nicht in kriegerischen Auseinandersetzung untergegangen ist. Die einige Jahrhunderte später vom Nordwesten eindringenden Indoeuropäer haben dort keine Hochkultur, die sie einmal war, vorgefunden. Aber auch hier bleibt rätselhaft, welche Elemente der alten Kultur und der im indischen Nordwesten ansässigen „Urbevölkerung“ sie übernommen haben. In den alten Texten des Veda werden die Ureinwohner, je nach Übersetzung, nasenlos (plattnasig?) oder sprachlos genannt. „Sprachlos“ scheint mir die wahrscheinlichste Variante. Bei vielen Völkern war es üblich, die Fremden als ihre Sprache nicht sprechend oder sogar „stumm“ zu bezeichnen. Deutscher in Russisch heißt Nemetskiy (немецкий), „stumm“.
Mohenjo Daro ist das größte erhaltene Relikt der Indus-Zivilisation. Diese war eine der größten und am weitesten entwickelten Zivilisationen der Antike. Sie blühte zwischen 3300 und 1300 v. Chr. auf und erstreckte sich über einen Großteil des heutigen Pakistans und kleineren Teilen Indiens. Die Zivilisation ist bekannt für ihre fortgeschrittene Stadtplanung, ihre Kunst und ihre Schrift, die noch nicht entziffert werden konnte.
In der Nähe des Einganges findet sich das Museum, das viele Plastiken, Gefäße und Specksteinsigel aus Mohenjo-Daro ausstellt. In den Dokumentationen findet man immer nur die gleichen. Hier wird eine große Vielzal dieser Zeitezeugen ausgestellt, die mich überrascht hat. Eines der bekanntesten Sigel ist „der Herr der Tiere“ (pashupati). War das der Vorgänger Rudras in den ältesten Texten des Veda? Sehr bekannt ist auch die Figur des „Priesterkönigs“, die im Original im Nationalmuseum in Karatschi steht. Überall wiedegegeben ist auch das „Dancing Girl“, ein scheinbar tanzendes Mädchen. Im Museum gibt es überproportional viele Frauendarstellungen. Dies lässt vermuten, dass es sich in Mohenjo Daro um ein Matriarchat gehandelt hat.
Die Ruinen von Mohenjo-Daro sind in Gefahr. Saurer Regen zersetzt die alten Ziegel, die Jahrtausende überstanden haben, in kurzer Zeit. Die pakistanische Archäologie-Behörde lässt die Bauwerke durch eine mit Stroh angereicherte Schlammschicht abdecken. Die muss regelmäßig erneuert werden. Weitere Ausgrabungen sind gestoppt, weil man die ausgegrabenen Mauern nicht erhalten kann. In einigen Fällen hat man Ziegelmauern mit Stützen versehen, die zwar ähnlich wie die Wände aussehen, aber nur wenige Jahre alt sind.
Ich fahre zurück mit gemischten Gefühlen: Die Stätte sah schon beeindruckend aus, allerdings vermittelte sie keine altertümliche Atmosphäre. Die Ziegelwände und -stapel sahen denen, die in den Ziegelfactories in der Umgebung täuschend ähnlich. Etwas befiel mich auch das Gefühl der Ohnmacht, dass man diesen Kulturort sehr wahrscheinlich nicht erhalten können wird.
Was die Unterkunft betrifft, soll es in Mohenjo Daro einige einfache Hotels geben. Ich habe sie nicht gesehen. Eine empfehlenswerte Unterkunft ist das Sambara Inn in Lakarna. Es ist etwas abgelegen und wird von der Tourismusbehörde (STDC) betrieben (externer Link auf Google Maps). Diese offiziellen Hotels sind hier wie in Indien auch häufig sehr preiswert und von akzeptabler Qualität.
Bericht des BBC von 2015 über den katastrophalen Zustand der Welterbe-Stätte