Prag für Touristenvermeider
Nachmittags auf der Karlsbrücke: Chinesen laufen wie Mondsüchtige über das Wahrzeichen von Prag während sie sich fortlaufend selbst mit dem Handy auf dem Selfie-Stick filmen. Wer eine Kollision mit ihnen vermeiden will, geht aus dem Weg, da sie, fast hypnotisch, nur auf ihr Handy-Display fixiert sind. Sie sehen die Touristenmenge und die Apostel nur als Hintergrund ihres Filmes. Wer in die Tschechische Hauptstadt fährt, muss bei den bekannten Sehenswürdigkeiten damit rechnen, dass er kaum Tschechen, dafür aber jede Menge Deutsche, Briten, Österreicher, Neuseeländer, Japaner und eben auch Chinesen sieht. Kaum eine europäische Stadt ist bei den Touristen so beliebt wie Prag. Typische Sammelpunkte der Touristenschwärme sind die Karlsbrücke, der Hradschin und die Aposteluhr. Zu manchen Zeiten drängelt man sich hier förmlich durch die Menge, wenn man auch etwas sehen will. Sicherlich hat es was, in der Menge der Touristen zu baden, auf dem Freisitz eines Cafes die vorbeiwandernde Menge zu betrachten. Doch nicht jedem gefällt das. Wenn Sie sich die Stadt lieber allein in entlegenen Winkeln erschließen möchten, bietet Prag immer noch genügend Möglichkeiten, von denen ich Ihnen einige vorstellen möchte:
Museen und Ausstellungen
Das Kafka-Museum. Die Ausstellungsräume sind in einem dunklen Schwarz-Grau-Braun gehalten. Sehr atmosphärische Einführung in Kafkas Leben und Werk. Meistens leer oder von nur wenigen Kafka-Anhängern heimgesucht. Prag hatte sich lange Zeit mit dem Erbe von Kafka schwer getan und ihn als rein deutsches Phänomen behandelt. Ursprünglich als Wanderausstellung konzipiert, hat sie seit 2005 ihre feste Heimstatt in Prag gefunden. Das Museum ist in der Regel nicht halb so voll ist wie das Kafka-Café in der Meiselova und doppelt so interessant, wenn es um das Leben des kauzigen und hypochondrischen Versicherungsangestellten geht.
Adresse: Cihelná 2b, Prag, Kleinseite, kafkamuseum.cz/de/ gut erreichbar nach dem Abstieg von Hradschin. Nachtrag: So richtig touristenfrei ist das Museum nicht mehr, die Empfehlung wurde 2015 geschrieben.
Museum für moderne Kunst der Nationalgalerie. Das Museum beherbergt eine beeindruckende Sammlung von Malereien aus dem 20. und 21. Jahrhundert, vor allem zur Entstehung der Moderne in Prag. Zudem gibt es immer mal Sonderausstellungen. Ruhig mehr Zeit für einen Besuch einplanen, 3-4 Stunden kann man dort ungestört herumwandeln. In einem ehemaligen Industriemessehaus, etwas abgelegen, ist es von den großen Touristenströmen noch nicht entdeckt worden. František Kupka und Alfons Mucha sind große Namen, die man dort findet, aber auch viele Werke von international weniger bekannten Künstlern sind den Besuch wirklich wert.
Nationalgalerie im Messepalast (Národní galerie v Praze, etwas irritierende Website: www.ngprague.cz ) Dukelskych Hrdinu, 530/47 | Holesovice, Prag 170 00
Gleichfalls in Holesovice befindet sich die DOX, auch eine Ausstellung für moderne Kunst. Nach meinem Eindruck spricht sie mit wechselnden Ausstellungen vor allem junge Besucher an. Durchaus sehenswert und nicht überlaufen!
Adresse: Poupětova 1, 170 00 Praha 7-Holešovice online: www.dox.cz
Galerie Rudolfinum: Die Galerie bietet wechselnde Ausstellungen, in der Regel von moderner Kunst. Der Eintritt ist in der Regel frei. Die Galerie befindet sich im Gebäude der Tschechischen Philharmonie. Hier gibt es regelmäßig klassische Konzerte, vorzugsweise von tschechischen Komponisten.
Architektur und Sehenswürdigkeiten
Die Innenstadt ist voll von interessanten Bauten, die von Touristen umschwärmt werden. Wir fangen deshalb mal im Stadtteil Vinohrady (Weinschloss) an. Der Prager Fernsehturm ist mehrfach in den Hitlisten der hässlichsten Gebäude der Welt aufgetaucht. Heute geht er wohl als „interessante Architektur“ durch. Man kann für etwa 10 Euro zur Aussichtsplattform in der vierten Etage fahren. Sie bietet eine sehr schöne Rundum-Aussicht bei schönem Wetter! Der Preis ist für das, was man bekommt, ambitioniert. Fotografieren geht durch die etwas trüben Scheiben zur begrenzt. Wer mehr will, kann in das Restaurant gehen oder gar im Fernsehturm-Hotel übernachten. Wenn man einmal da ist: unterhalb findet sich ein sehenswerter alter jüdischer Friedhof, der auch in unserer Park- und Friedhofswanderung eine Rolle spielt.
Sezessions-Bauten in Vinohrady: Prag ist bekannt für seine eigene Form des Jugendstils und des Kubismus. In der Innenstadt gibt es ein Museum und zahlreiche Bauten, die wirklich sehenswert sind. Weniger besucht sind die Straßen östlich des Georg-von-Podiebrad-Platzes und um den Fehrnsehturm im Stadtteil Vinohrady. Hier gibt es zahlreiche erstklassige und gut sanierte Wohnbauten im Prager Jugendstil, die eine ganz eigene Note haben.
Dass man hier Touristen trifft, die den Stadtteil besichtigen, ist eher selten. Man kann mit der Straßenbahn in die Nähe fahren. Im Park selbst gibt es eine architektonisch sehr interessante modernistischen „Kirche des heiligsten Herzens des Herrn“.
In Richtung der Stadt gibt es den Rieger Park (Riegrovy Sady), der, gerade an lauen Sommerabenden bei den Pragern sehr beliebt ist. Er beherbergt den größten Freisitz von Prag. Der Freisitz hat keinen Ausblick und ist eher zum Biertrinken gedacht. Der Park oberhalb bietet spektakuläre Blicke über die Stadt bei schönem Wetter.
Plätze, Parks und Friedhöfe
Wenn man ein bisschen Zeit hat und gern etwas länger läuft, für den bietet sich eine Park- und Friedhofswanderung an. Als Ausgangspunkt eignet sich der Rieger-Park in Vinohrady, der bei den Pragern sehr beliebt ist. Im Sommer sammeln sich hier die Gruppen zum Grillen und abhängen. Von hier kann man über ein paar Straßen zum Georg-von-Podiebrad-Platz laufen. Der parkähnliche Platz bietet häufig einen Wochenmarkt, bei dem man regionale Produkte, Wurst, Käse und Bier kaufen kann. Der Park ist umgeben von zahlreichen Häusern im Prager Jugendstil.
Von hier aus kann man über die Milesowska Straße in Richtung Fernsehturm gehen. Unterhalb des Fernsehturmes befindet sich der Alte Jüdische Friedhof von Zizkow. Im Stil ähnelt der dem aus der Altstadt, ist aber kleiner und wird nur von wenigen Menschen besucht.
Man könnte von dort die Ondříčkova bis zum Ende der Straße laufen, wo sich der Eingang zu den weitläufigen Olšany Friedhöfen befindet. In diesen kann man endlos herumwandern und wird die Gräber zahlreicher Prager Prominenter finden. Wenn man ihn insgesamt diagonal durchquert, kann man über den Ausgang Richtung Zelivskeho Metrostation nehmen. Man befindet sich dann nahe des Eingangs zum Neuen Jüdischen Friedhof. die Tour so konzipiert, dass man den Ausgang nahe der Metrostation Flora erreicht, kann man von dort den jüdischen Friedhof betreten.
Die Hauptattraktion des Neuen Jüdischen Friedhofs ist das Grab von Franz Kafka. Es ist ausgeschildert und befindet sich gegenüber der Friedhofsmauer, die an der Straße grenzt. Direkt gegenüber in die Friedhofsmauer eingelassen ist die Grabplatte seines Freundes Max Brod, dem wir es verdanken, dass ein Großteil der Werke Kafkas, gegen den Wunsch des Autors, nicht vernichtet wurde. In der Zeit des Nationalsozialismus galt der Friedhof als einer der wenigen Plätze, auf denen sich Juden frei bewegen konnten.
Wer nun noch weiterlaufen möchte, kann sich den Vinohrader Friedhof ansehen. Auch hier finden sich die Gräber prominenter Persönlichkeiten, unter ihnen Václav Havel und Egon Erwin Kisch. Für die Rücktour in die Innenstadt empfiehlt sich die Metrostation Zelivskeho.
Auf der Kleinseite gibt es Parks, die durchaus sehenswert und eher wenig besucht sind. Die Besucher des Hradschin laufen, wenn sie den Weg herabkommen, daran vorbei, ohne davon Kenntnis zu nehmen. Da gibt es die Voyanovy Sady, mit dem Zugang von der U Lužického semináře, ziemlich gegenüber dem Kafka-Museum.
Wer es etwas nobler mag, kann weige Schritte weiter in den Wallenstein Garten (Valdštejnská zahrada) gehen. Dieser stammt aus dem 17. Jahrhundert und gehört zum Senatspalast der Tschechischen Republik (Valdštejnský palác). Der Garten ist nur bis 19 Uhr geöffnet. Inzwischen wird auch er immer mehr von den Touristen entdeckt.
Kneipen und Cafés
Eine Bemerkung vorweg: Es gibt unzählige Restaurants und Cafés in Prag. Es gibt touristische und weniger touristische. Die Faustregel, dass die Restaurants in den touristischen Hotspots schlechter und teuerer sind, gilt auch hier. Alle werden Ihnen das U Fleků, eine Art Prager Hofbräuhaus, empfehlen. Wir fanden dort die Bedienung ziemlich aufdringlich, vor allem wenn es um die Schnapsrunden geht. Die wurden in regelmäßigen Abständen als ein „Muss“ verkauft. Gehört vielleicht zur Atmosphäre. Gulasch mit Knödeln war nicht überwältigend. Es nicht schwer, gerade in der näheren Umgebung der „Kultkneipe“ zahlreiche andere Restaurants zu finden, die besseres Essen bieten und in der Regel auch billiger sind. Die Aufnahmen vom Essen stammen aus von der Kleinseite, dem Zlatý klas (Plzeňská 609/9, 150 00 Praha 5), auch ziemlich touristisch, wegen der zahlreichen Hotels in der Nähe, aber exzellente Prager Küche und sehr gute Bedienung. Sehr gut gegessen haben wir auch auf der Kleinseite im U Glaubiců (Malostranské nám. 266/5, 118 00 Malá Strana). In Žižkov, in der Nähe des Fernsehturms, ist das U Sadu (Škroupovo nám. 1282/5, 130 00 Praha 3-Žižkov) eine sehr gute und preiswerte Alternative. Hier kehren sehr viele Einheimische ein. Recht hübscher Freisitz im Sommer. Gulasch und Knödel finden sich auf der Speisekarte als „Bier-Snack“, sind aber reichlich und lecker. Sehr empfehlenswert auch in Kartoffelpuffer-Teig gebackene Hühnchen oder Käse.
Es gibt auch einige gute Cafés und Restaurants direkt in den von Touristen „gefluteten“ Bereichen. Direkt am Touristenstrom hin zur Karlsbrücke liegt das Kafe Damu (www.damu.cz, Karlova 26, 110 00 Praha 1-Staré Město). Es gehört zu der Theater-Fakultät (DAMU), der Akademie der schönen Künste Prag, ist selten voll, interessant eingerichtet und bietet moderate Preise. Es wird auch als Foyer für das angeschlossene Theater genutzt.
Sehr beliebt sind auch Geschäfte mit Weinausschank. Hier bildet sich meist ein Pulk von Weintrinkern vor der Eingangstür und unterhält sich lebhaft. Bei den älteren, traditionellen Weingeschäften ist der Wein konkurrenzlos billig und viele Kunden lassen ihn sich in Plasteflaschen abfüllen. In der Regel wird tschechischer Wein verkauft und mit etwas Glück erhält man eine sehr süffige Variante. Einer der typischen Weingeschäfte ist das Noelka in Vinohrady. Adresse:
Noelka, Slavíkova 3
120 00 Praha 2 – Vinohrady
Hügel und Berge
Touristen besteigen in der Regel den Laurenziberg (Petřín) mit Aussichtsturm und Spiegelkabinett, um eine schöne Übersicht über Prag zu bekommen. Mindestens genauso interessant, aber weniger von Touristen besucht ist der Vitkov mit dem gigantischen Denkmal des unbekannten Soldaten auf der gegenüberliegenden Seite der Moldau. Innerhalb der Gedenkstätte gibt es ein Café, das auf seiner Terrasse einen spektakulären Ausblick auf die Altstadt, aber auch auf den Fernsehturm und Vinohrady bietet. Am Berg gibt es zahlreiche Wanderwege.
Im Süden Prags lohnt sich ein Besuch des Vyshehrad, einer alten Burg mit einer interessanten Kirche und einem noch interessanteren Friedhof. Hier kann man die Gräber von Antonin Dvorak, Bedrich Smetana und Alfons Mucha besuchen. Die Burg ist malerisch an der Moldau gelegen und man kann an der Moldau entlang von dort auf der Promenade sehr schön Richtung Altstadt laufen. An warmen Sommertagen ist das Moldauufer von Pragern gesäumt, die das Wetter und den Blick auf den von Touristen überlaufenen Hradschin genießen. Es gibt zahlreiche Restaurants und Bars, auf Schiffen und in die Mauer eingebaut. Auf der anderen Seite des Flusses gibt es den Kampa Park und die Galerie. Abends lohnt sich ein Besuch des Jazz Dock, dort spielen im Sommer fast jeden Abend Jazzbands.